Sandfoore — ueber die Ruine einer Vision


Verbogener Blick ueber den First unseres Hauses nach Westen-Norden-Osten

Das Genossenschaftsprojekt in Maegenwil-Mitte ist vorerst gescheitert, und das ist zu bedauern. — Das Land, das die Zuercher Genossenschaft mit dem schoenen Namen »Frohes Wohnen» im Jahr 2014 von den Familien der beiden Brüder Eduard und Klaus Strebel (die bis 2006 das Bierdepot Feldschloesschen betrieben) gekauft hat, wurde im Juni des laufenden Jahres weiterverkauft. Die neue Besitzerin wird voraussichtlich nicht genossenschaftlichen Wohnungsbau, sondern Eigentumswohnungen realisieren. — Die nachbarschaftliche Planungskooperation wurde mit dem im Bewilligungsverfahren befindlichen (und bald zur oeffentlichen Auflage kommenden) Gestaltungsplan Sandfoore weitgehend abgeschlossen. TMS, 20210728

Beschreibung aus der Sicht von Tobias Strebel, Vertreter der an der Planungskooperation beteiligten EG Strebel, die die Parzelle 201 / Alte Bahnhofstrasse 2 haelt.
Siehe auch: Der Reussbbote: »Genossenschaftswohnen ist gescheitert», 20210727


Bild:  Situation Sandfoore, Maegenwil im Katasterplan des AGIS, Aargauer Geoportals

Stockwerkeigentum vs. Genossenschaftsorganisation
Ein Vorschlag vorab: Die Kreativität des Eigentumswohnungsbaus orientiert sich ja durchaus auch an den staerker gemeinschafts- oder nachbarschaftsorientierten Organisationsformen moderner staedtischer Genossenschaftsprojekte. Dort zeigt sich die Avantgarde des nachhaltigen Wohnens. — Belebbare Vorraeume, Gemeinschaftsplaetze, -einrichtingen zu haben, gebaute Offenheit, das alles hilft beim Zusammenleben genauso im Stockwerkeigentum wie in der Genossenschaftssiedlung. In den Städten sind die Siedlungen, in denen Nachbarschaft etwas offener kultiviert wird, bei Familien, WGs, Rentner_innen und Individualist_innen gleichermassen beliebt und es ist eher wahrscheinlich, dass solche Projekte auch in der Vorstadt und auf dem Land ihre Zukunft haben. Architektur heisst, »Moeglichkeiten zu schaffen» (sagte Alvar Aalto), und wie zusammengelebt wird, ist immer auch etwas, das durch die Bauweisen des Lebensraums vorgezeichnet wird, und was so oder anders gelernt und gelehrt wird.

Nachbarschaftsorientierte Wohnbauarchitektur »lohnt sich» — allem voran fuer die, die sie bewohnen. — Selbstverstaendlich gibt es Marktsegmente, — es gibt im Wohnungsmarkt vielleicht eine »Büezerfamilien»-Klientel (wie es ein Genossenschafter der BG Frohes Wohnen ausdrueckte) und eine andere z.B. der Altersresidenzen. — Der eine Markt ist moeglicherweise groesser, rentabler, ein anderer eher karg und schwerer zu beackern. — Das Quartier Sandfoore in Maegenwil, direkt neben der S11-Station wird sicherlich fuer Stadt- und OeV-Orientierte Vorstadt-Menschen als Wohnort attraktiv sein. — Besonders, wenn es ein freundliches Quartier, angeschlossen an ein freundliches Dorf sein darf.

Dass es einen »Gap» geben muss zwischen Eigentumswohnungsbau und genossenschaftlichem Wohnungsbau wage ich als Mythos zu bezeichnen. — Es kann, muss aber nicht so sein. In meinem Blick waere ein relevanter »Gap», der zu besprechen sich lohnt eher jener zwischen den End-User_innen und den mal staerker oder weniger stark renditenorientierten Produzenten und Investoren. Dieses Spannungsfeld ist mal geladener, mal entspannter. Die maximalen Spannungen und Landungen, die die Gesellschaft vertraegt, werden in den politischen Diskursen verhandelt.

Die »User» der Wohnbauproduktion sind Menschen, Familien, Kinder, Jugendliche, Rentner_innen, die »Quartiercrowd» oder der Menschenschwarm, der das Quartier in den gemeinsamen wie in den privaten Raeumen belebt. — Und wenn es am Ende aus der Maegenwiler »Genossenschaftsruine» eher froehlich zwitschert statt aechzt und stoehnt, waere das Projekt des »froehlichen Wohnens» trotz allem erreicht worden. — Wir, die wir uns fuer den genossenschaftlichen Wohnungsbau einsetzten, hoffen und bleiben zuversichtlich, auch nach dem Wechsel der Akteure. — Und wir versuchen weiterhin die bestmoeglichste nachbarschaftliche Kooperation.

Bild: Stand des Wettbewerbsprojekts, Nov. 2016

Der Versuch, zum fröhlichen Wohnen zu kommen . . .
Das Projekt »Sandfoore» in Maegenwil stand nach dem Architekturwettbewerb 2016/17 in der Fachpresse um Architektur und Planung eine Zeitlang fuer ein sehr interessantes und fortschrittliches Quartierentwicklungsprojekt, in dem der Wohnbaugenossenschafts-Gedanke in der Reusstaler Suburbia Fuss fasst. Die Runde unserer Kooperation bekam von verschieden Seiten positives Feedback und Sympathiebekundungen. Besonders gefiel die ziemlich harmonische Vereinbarung von oeffentlichen und privaten Interessen und die Integration von Altem, Ortsgegebenem mit Neuem. — Leider hat sich nach den Jahren der Planungsarbeit dieses komplexe und etwas pionierhafte Projekt fuer die Zuercher Poestler- und Baehnlergenossenschaft aber als zu wenig erfolgversprechend erwiesen. Spätestens nachdem sich Anfang 2019 der federfuehrende Praesident und sein Gefolge voneinander trennten, zeigte sich, dass das Projekt innerhalb der Genossenschaft zu wenig Rückhalt genoss. Die verbleibenden Akteure entschieden, das Projekt fallenzulassen und das Land abzustossen. Dass Frohes Wohnen das Land mit dem weit gediehenen und qualitaetvollen Projekt an eine andere Genossenschaft weitergegeben haette, waere aus unserer Sicht schoener gewesen, — aber waere das moeglich gewesen ? — Wir wissen nicht, welche Versuche unternommen oder unterlassen wurden.

Fuer uns als etwas »eingeklemmte» »Beteiligte» stand die nachbarschaftliche Offenheit und Zusammenarbeit im Zentrum, und so offen-kooperativ gehen wir nun auch auf die neuen Nachbarn zu. Unsere Partei (die Nachkommen von Klaus Strebel) war als Co-Auftraggeber in Minderheitsbeteiligung am Wettbewerb wie an dem aus dem Wettbewerbsprojekt sich entwickelnden Gestaltungsplan beteiligt. Fuer uns ging es darum, die Moeglichkeit der baulichen Ausnutzung unsere Parzelle unter Integration der alten Unternehmervilla mit dem Baumbestand zu sichern und dies alles in der Zusammenarbeit mit den Nachbarprojekten gut und realistisch zu koordinieren. Das gelang vorerst weitgehend.


Bild: Unsere Alte Lady (erbaut 1929)  — in jungen Jahren.

Auf unserem Teil erarbeiteten die Wettbewerbssieger, Architekt_innen Oester & Pfenninger im Richtprojekt oestlich der »alten Lady» von 1929 einen Wohn-Hof, in dem im dreigeschossigen Ost-Bau die Wohnungen ueber einen breiten Laubengang von Westen her erschlossen werden: Intensive Nachbarschaftsorientierung. — Die beiden Geschosse des Nord-Baus werden voraussichtlich die aus dem Zonenplan erforderte Gewerbenutzung fassen. Fuer die noch nicht sehr eilige Umsetzung des Projektes halten wir Ausschau nach passenden Partnerschaften.

Bild: Die Situation des Wohnhofs Sandfoore, dem Projekt unserer EG Strebel.

 

Zwei Aspekte des Masterplans 2014: Brückenschlag und Baum-Garten
Als Vorgabe fuer den Wettbewerb und Gestaltungsplan »Sandfoore» gilt der Masterplan der Gemeinde, der 2015 verabschiedet wurde und benfalls aus einem Wettbewerb hervorging. Darin werden im Groben die Baufelder umrissen. Der Masterplan »moderiert» die »Verstaedterung» oder zumindest die Verdichtung, die mit der Bebauung des Sandfoorequartiers und des nahe gelegenen Wolfbodenquartiers einhergeht. Und er bezieht das Schaffen neuer Qualitaeten mit in die Planung ein.

Bild: Die Siegfriedkarte, 1880 (Quelle AGIS, Geoprtal des Kantons Aargau)

Im Masterplan wird als wichtiger ortsplanerischer Aspekt die Wiederherstellung der Fussgaenger- und Veloverbindung von der Alten Bahnhofstrasse ueber die Industriestrasse zum S11-Bahnhof vorgezeichnet. Die Bahnhofstrasse wurde in den siebziger Jahren wegen dem Bau der Schnellzuglinie Zuerich-Bern durch die dadurch notwendig gewordene Industriestrasse unterbrochen und sie ist spaetestens seither nicht mehr der Strassenzweig, der von der Hauptstrasse via Bahnhof und Muenzelwald bis nach Wohlenschwil führte. Kein Zweifel, dass die Reparatur der Verbindung die die Bahnhofstrasse bis in die siebziger Jahre machte, ein sehr schoener Gewinn fuer die Ortsstruktur des Dorfes sein wird.

Ein zweiter, fuer das Dorfleben wichtiger Aspekt aus dem Masterplan ist der Baumgartenpark. Mit diesem soll einer der typischen Baumgaerten des ehemaligen Bauerndorfes als öffentlicher Garten fuer die Zukunft erhalten und gepflegt werden. Wir duerfen uns moeglicherweise zunaechst weiterhin die Schafweide mit den bestehenden Nuss- und Obstbäumen vorstellen, — spaeter vielleicht den Baumgarten als etwas wohnlicher gepflegter Vorstadtgarten mit wilden Spielweisen zwischen Baeumen und Bueschen, Dorfbrunnen und einigen Planzgaerten.

Bleibt zu hoffen dass sich hier die neuen und die alten Maegenwiler_innen auch in Zukunft übereinander zu freuen wissen. Und so hoffen und freuen wir uns auf die neue Nachbarschaft und auf ein frohes und lebendiges Vorstadt-Wohnquartier.